Archiv des Autors: Bettina Dornberg

Wider volle Maskerade

Ab heute herrscht Maskenpflicht. Ganz offiziell. Ein Anlass, nicht über gekaufte oder selbstgenähte Schutzmasken nachzudenken, sondern über bewusst gewählte oder unbewusst angewandte im Alltag. Wann entscheide ich mich für eine Rolle, die ich spiele, statt für ein offenes Visier? Und ist in dem Fall gemeint, dass ich das Herz auf der Zunge trage oder meine Hände sanft auf mein Herz lege? Gibt es vielleicht sogar eine Alternative dazwischen? Oder sind die Rollen, die ich einnehme, schlichtweg Facetten meiner Persönlichkeitsstruktur und damit alle authentisch? Die, die privat ist; die, die öffentlich ist; die, die beruflich ist; die, die freundschaftlich ist; die, die nur mir gehört und nur von mir gelesen wird. Sind diese Persönlichkeitsaspekte klar abgegrenzt und festgezurrt bis hinter beide Ohren? Oder sind sie nicht vielmehr fließend, mal so und mal wieder ganz anders? Authentizität wird hier nicht als Dogma verstanden und damit überstrapaziert, sondern vielmehr als Gewissheit, sich echt und lebendig zu fühlen und damit als Original. Aber wer entscheidet über Original und Fälschung? Vielleicht geht es viel eher um adäquate Rollen? Aber wie ist dies wiederum vereinbar mit der Einzigartigkeit einer jedweden Person? In einer Welt voller Maskerade will ich nicht leben… Die Lösung liegt vermutlich darin verborgen, über den Schutz einer Maske nachzudenken: Wann ist eine Maske angesagt? Bei wem und wozu überhaupt? Und in welcher Situation und gegenüber welchen Menschen ist das offene Herz gleichbedeutend mit den wundersam ansteckenden Tröpfchen, die ein anderes Herz zart berühren? 

reden oder schreiben

„Schweigen ist Stille, aber nie Leere; es ist Klarheit, aber nie Farblosigkeit; es ist Rhythmus wie ein gesunder Herzschlag; es ist das Fundament allen Denkens und damit das, auf dem jedwedes Schöpferische von Wert beruht.“ Dieses Zitat stammt von Yehudi Menuhin, der nicht nur ein – wenn nicht gar der ‚Jahrhundertgeiger‘ war, sondern auch ein überzeugter wie überzeugender Botschafter der Humanität, der Kunst. Bei seinen Worten frage ich mich: Wenn das Schöpferische, das wertvoll ist, Schweigen und Stille voraussetzt, ist es dann unablässig, nicht über das zu reden, was man vorhat zu schreiben? Meine Erfahrung sagt ja. Reden ist eines. Schreiben ist etwas fundamental anderes. Das mag überraschen, aber wie oft sind Worte verloren, ja haben ihren Zauber bereits im Gespräch entzündet und wirken später fahl auf Papier. Wobei ich es sehr wohl mag, übers Schreiben zu reden; auch liebe ich den Vortrag geschriebenen Wortes sowie nach der Schöpfung – von wem auch immer – über geschriebene Worte zu sprechen – nicht nur über Wortschöpfungen;-)). 

Ich fürchte mich so vor der Doppeldeutigkeit

„Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort“, das ist die erste Zeile des gleichnamigen Gedichts, das Rainer Maria Rilke 1898 schrieb. Und er führt fort: “Sie sprechen alles so deutlich aus.“ Ich erlaube mir mal, einige Zeilen meines hoch verehrten Dichters zu nehmen, ihm zuzustimmen und – ihn zu ergänzen. „Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus, und hier ist Beginn und das Ende ist dort.“ Die ich immer präzise Formulierungen schätze und klare Sätze propagiere, fürchte mich vor dummen, populistischen Sätzen aufgrund falscher Fakten und eindimensionaler Deutung von komplexen Zusammenhängen. Ich fürchte mich vor diskriminierenden Worten und herabsetzender, abwertender Wortwahl sowie vor propagandistisch aufgeladener Kriegs-, Natur- und entmenschlichender Tiermetaphorik – auch schon vor Covid 19, vor AfD und weltweiter Krisen, die Menschen dazu veranlassen, ihr Land zu verlassen, um Krieg und Hunger zu entfliehen. 
„Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott, sie wissen alles, was wird und war; kein Berg ist ihnen mehr wunderbar; ihr Garten und Gut grenzt gerade an Gott“, heißt es weiter im zweiten vierzeiligen Vers des wunderbaren Poeten. Genau: Ich fürchte mich vor dem Tweetgebaren selbsternannter Götter und damit unter anderem vor dem vom amerikanischen Volk demokratisch gewählten Präsidenten, wenn er – wie vor Tagen geschehen – postet: „Liberate Virginia, and save your great 2nd amendment. It is under siege.“ „Befreit Virginia, und rettet euren großartigen zweiten Verfassungszusatz (Anmerkung: er verbietet, den Besitz von Waffen einzuschränken). Er ist unter Belagerung.“ Unfassbar! Mit dieser Kriegsmetapher ruft Trump damit fast zu zivilem Ungehorsam auf, den ich geradezu mit Gandhi, Martin Luther King oder unserer Friedens- und Bürgerrechtsbewegung verbinde. 
Und: Ich fürchte mich – vor allem im persönlichen Kontext manches Mal noch um ein Vielfaches mehr – vor Doppelbotschaften, die zutiefst verwirren, die dazu angetan sind, sich selbst zu erhöhen, indem man den anderen erniedrigt. Die fragile, narzisstische Persönlichkeit setzt sich nicht mit ihren Schattenseiten auseinander, sondern verlagert die gestörte Beziehung zu sich selbst auf die zwischenmenschliche Kommunikation – meist zu sogenannt geliebten Menschen, um ihre Individualität, ihre Gabe, ihr Sosein zu zerstören. Diese Lieblosigkeit – scheinbar widersprüchlich zum Narzissten – letztlich sich selbst gegenüber, also der lieblose Umgang mit seinen eigenen wunden Punkten findet Einzug in die Beziehung zum anderen. Als Kind hast du da keine Chance – und Glück, wenn es ihnen nicht gelingt, dich zu verrücken.
Aber auch heute noch, wenn ich nicht aufpasse, dann rühren sie mich an, diese Doppelbotschaften, hinterlassen mich stumm und starr für Stunden, ja, ich kämpfe darum, dass sie mich nicht umbringen… Wie schreibt da der Dichter weiter: „Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern. Die Dinge singen hör ich so gern. Ihr rührt sie an: Sie sind starr und stumm. Ihr bringt mir alle die Dinge um.“ Ich fürchte, nein ich will in Zukunft fern bleiben von Menschen mit Doppelbotschaften, und mich den Menschen mit der Sprache zuwenden, deren Worte andere Saiten zum Klingen bringen.   
P.S.: Ein Link zum Gedicht http://rainer-maria-rilke.de/020088fuerchtemichso.html

Bänke und Banken, Gesichter und Gesichte

Gesicht und Bank – auch diese beiden Wörter besitzen zwei Pluralformen. Ihr erinnert euch an meinen Blogbeitrag über die „Worte in den Wörtern“? Ein langjähriger Freund, von dem ich wusste, dass er mich bereichert, stiftete sie mir. 
Also: Die Bank kennt als Plural „die Banken“ und „die Bänke“. Wer, wie ich vorschnell einwenden mag: ‚Naja, aber damit sind ja zwei völlig verschiedene Dinge gemeint, nämlich einerseits die Bank fürs Geld und zum anderen die Bank zum Sitzen‘, der wäre ebenso wie ich bereits von meinem klugen Freund eines Klügeren belehrt worden. Der Ursprung des Wortes „Bank“ im Sinne eines Kreditinstituts reicht eben in die Ursprünge des Geldgeschäfts und des Geldwechsels zurück, die auf einem niedrigeren Tisch, eben einer Bank getätigt wurden. Übrigens italienischen Geldwechslern der Renaissance, die zu Zahlungen nicht mehr imstande waren, wurden ihre Tische zerschlagen (auf italienisch banca rotta), das uns das deutsche Wort „bankrott“ bescherte… 
Wenden wir uns dem Gesicht zu und siehe da, es gibt „die Gesichte“ und „die Gesichter“. Klar wird jedem sein gängiger Plural sein. Mit „Gesichte“ – ich kannte den Begriff nicht – hingegen sind Visionen gemeint, Vorausahnungen, Träume oder auch der (Aber)Glaube, Zukünftiges voraussehen zu können. Übrigens entwickelte sich aus „Gesichte“ die durchaus bekanntere Formulierung, jemand habe ein „zweites Gesicht“. Wie dem auch sei: Ich glaube, ich bin nicht die einzige, die in diesen Tagen gern Gesichte hätte und keine banca rotta, sondern vielmehr immer wieder gemütliche und freie,-)) im Park…

Freud‘ und Leid

Im Moment tagtäglich konfrontiert mit Statistiken, die wir hinterfragen, für die wir zuweilen nach Vergleichszahlen recherchieren und die als Maßstab für Maßnahmen herhalten, fallen mir zwei Rechnungen aus Kindertagen ein, die sich längst vor meiner Zeit als Redewendungen etablierten und die in meiner Erziehung als Imperativ dienten: Geteilte Freude ist doppelte Freude; geteiltes Leid ist halbes Leid. Wie kann eine mathematische Gleichung zu zwei so diametral entgegengesetzten Ergebnissen führen? … einfach von der Logik her. Und was ist mit der Realität? Und wozu diese Moral?
Damals wie heute gibt es so viel Neid auf Freude, auf persönlichen Erfolg oder einen glücklichen Zufall, auf eine hart erarbeitete Errungenschaft, eine geschenkte Gabe oder Begabung statt zweifach Freude? Ja, manchmal reicht schlichtweg gute Laune, die sich in der Begegnung zusammenzieht, statt wächst. 
Und ich kann mir mitnichten vorstellen, dass ein afrikanisches Kind, das Hunger leidet, mein Mitgefühl spürt; und falls ich mir das Unwahrscheinliche doch vorstelle, hat es noch lange nichts zu essen. 
Auch damals, wenn Erwachsene ihr Leid klagten, ging es ihnen da wirklich um meine Empathie für ihre Situation oder nicht vielmehr um etwas ganz Anderes? Nun gut. 
Wie ist es heute? Vor zwei Tagen erzählte mir eine Freundin von ihrem Glück über die innigen Stunden mit ihrem Freund. Es war wunderbar, ihre strahlenden Augen zu sehen, die von innen lachten, aber ob sich ihre Freude verdoppelte, indem ich meine Freude darüber aussprach, bezweifele ich sehr. Diese Macht habe ich nicht. Sie machte mir eher ein Geschenk… ist das mit ansteckender Freude gemeint? Wobei, ich kenne es durchaus auch umgekehrt… und jemand, da freute sich die Tage alles an diesem Menschen und sogar weit über beide Ohren hinaus, als ich über etwas erzählte, was mich zutiefst begeistert. 
Mit dem geteilten Leid verhält es sich durchaus komplexer. Sind da nicht eher Taten angetan als Gedanken und wiederholte Worte? Und mal ehrlich: Gibt es nicht immer Menschen, die mehr leiden? Unbedingt! Ja, die Würde des Menschen wird seit Jahrhunderten angetastet, auch wenn es anders geschrieben steht. Das behalte ich im Auge und freue mich, wenn ich eigenverantwortlich unterwegs bin und auf Menschen treffe, deren Freude ich spüre und deren Herzohr mir bisweilen geschenkt wird. 

P.S.: … statt 100 Worte mehr als 300 Wörter und welche Taten?…

Im Dialog mit Mutter Erde

Coronazeit ist auch – Kino on demand-Zeit: Wenn ihr einen Film voller Wunder sehen und gleichzeitig euer Programmkino unterstützen wollt, lege ich euch einen Film nahe, der eigentlich im Mai seine Deutschlandpremiere haben sollte und nun online verfügbar ist: https://www.kino-on-demand.com/movies/dialogue-earth „Dialogue Earth“ von Regisseur Hank Levine mit der Musik von Volker Bertelmann alias Hauschka. Ich würde ihn sehr wohl empfehlen, auch wenn Ulrike Arnold nicht meine Freundin wäre, auch wenn ich keinen kleinen dramaturgischen Anteil an seiner Entstehung beigetragen hätte… beides trifft zu, aber darum geht es mir nicht. Vielmehr verbindet uns der Dokumentarfilm über die künstlerische Arbeit und das Leben von Ulrike mit der unversehrten Welt der Schöpfung, die durch Mensch und Maschine, durch Raubbau und Umweltzerstörung verletzt wird, aber in und mit ihrer Kunst ein Paradies auf Erden bedeuten kann. Ulrike Arnold ist eine außergewöhnliche Künstlerin, eine Weltenreisende, eine Genesis-Nomadin, die seit rund 40 Jahren unberührte Orte auf allen fünf Kontinenten aufsucht, mitunter monatelang fern jedweder Zivilisation lebte, um mit und in Kooperation mit der Natur, mit erdenen Steinen und Pigmenten vor Ort bei jedem Wind und Wetter zu malen. Seit bald 20 Jahren gesellt sie zur irdischen Materie den kosmischen Werkstoff von Meteoriten, also über vier Milliarden Jahre alten Sternenstaub hinzu…
Übrigens eine meiner Lieblingsszenen ist der Monolog eines Navajo-Indianers über ihr Werk. Aber seht selbst! 12 Euro für diese Premiere statt 5 Euro für jeden ‚alten‘ Film sind es mehr als wert zu investieren. Denn der rund 80-minütige Ausflug in ihre Welt verspricht ein wenig Heilung für unsere Welt. 
P.S.: Und wer noch etwas lesen möchte über Ulrike Arnold, dem sei mit „Earth & Stars“ folgendes Faltblatt ans Herz gelegt: https://www.bettinadornberg.de/wp-content/uploads/2020/04/FaltblattUlrikeArnold2020.pdf

Tägliches Lesevergnügen

Coronazeit ist – auch Kreativzeit. Leute, die ihr bei Facebook seid, geht mal auf https://www.facebook.com/christoph.berdi . Da schreibt mein Identitätsstifterkollege jeden Tag über ein Album, das er uns ans Herz legt und uns somit zum Hörvergnügen einlädt. Berührend, bereichernd und begründet. Tiefsinnig und versiert. Leidenschaftlich und Laune machend. Er wandelt quer über alle Genres: von Pop über Jazz, von Klassik zu Rock. Da schreibt jemand von seiner Seele her, ein in die Musik zutiefst Verliebter, der seine Liebe zu dieser wundervollen Kunst mit uns teilt. Und nicht nur das: er gibt Orientierung über Musikgeschichtliches, Klangfarbe und Interpretation, über Herkunft und Hintergrund von Komponisten, Band, Songtextschreiber und noch mehr… All das mit einer Leichtigkeit und Begeisterung geschrieben, die spürbar werden in jedem Wort. Genau das ist es, was Liebe – sprachlich umgesetzt – vermag: sie ist ansteckend.  

Mal ehrlich;-))

Vor einer Weile gab mir jemand einen gut gemeinten Rat: „Na, Erwachsene lügen halt. Das ist doch völlig normal. Alltag. Nichts Außergewöhnliches.“ Das gehöre sozusagen zum Erwachsensein dazu. Man könnte auch sagen: Das kennzeichne Erwachsene…
Das empfand ich – ungelogen – in dem Moment erstaunlich. 
Heute denke ich: Ja, stimmt. Es gibt diesen einen ersten Moment, da fangen Kinder an, Erwachsene zu imitieren. Sie nehmen sie sich zum Vorbild und beginnen zuweilen – eben, wie die anderen – zu lügen.
Die, die mich gut kennen, wissen um meinen kindlichen Wunsch: „Bitte mich nicht anlügen!“ Mir soll man mitnichten alles erzählen – um Himmelswillen nein! Aber das, was man erzählen mag, möge bitte ehrlich gemeint sein. Selbstverständlich schließt dies Kritik mit ein. Das mag durchaus mal richtig weh tun, aber es birgt die Perspektive auf Beziehung, echte (Ver)Bindung und Begegnung mit dem anderen und mit sich selbst. Alles andere ist ein Sterben in Raten.

an andere oder über andere denken

Diese Zeit ist dazu angetan, an andere zu denken, wenn wir uns nicht treffen können – ja nicht treffen dürfen und gerade einmal nicht miteinander telefonieren können oder wollen. Das ist gut so. Das ist völlig okay so. An andere zu denken heißt für mich oft, in den Himmel zu schauen – sogar mich bisweilen zu justieren per Kompass – und einen innigen Gruß mit Wünschen zu schicken. Mich an vergangene Begegnungen zu erinnern und mir zukünftige auszumalen. 
Es gibt aber auch das Denken über andere – nicht selten mit Wertung, mit Irritation. Das bindet. Das Verbindende in der Beziehung rückt in den Hintergrund und fesselt die Energie. Vorgestern war so ein Moment und gestern Früh tauchte er prompt erneut auf: zwei Menschen, zwei sich grundlegend widersprechende Erzählungen. Einer von beiden sagt mir nicht die Wahrheit. Ja lügt. Wer erzählt hier nicht die Wahrheit? Und noch wichtiger: Wozu? Mit welcher Absicht? Oder erinnert einer falsch oder hat die andere es in dem Moment wohlmöglich vergessen? Wie damit umgehen? Nachfragen? Konfrontieren? Mit welcher Haltung? Heute? Später? Nie? Welche Rolle wird mir hier zugedacht in diesem Spiel? Noch konkreter: Welche Rolle spiele ich in dieser Beziehung? Oder noch anders: Welche Rolle spielt diese Beziehung der beiden untereinander für mich? Mehr als 240 Wörter und in einer Dreiviertelstunde sicher mehr als tausend Gedanken hab‘ ich mir selbst angetan und gebunden. Zwar bin ich noch nicht um eine Antwort reicher, aber um eine Haltung: Hätte ich doch lieber an jemand gedacht

Worte in Wörtern

Immer wieder bin ich damit beschäftigt, dass das Wort Wort zwei Pluralformen kennt: Worte und Wörter. Sind auch bei anderen Wörtern zwei Arten des Plurals bekannt? Mir fallen keine Wörter ein, aber damit ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Eher beginnt genau hier ein Reigen voller Worte.
Und immer wieder sortiere ich in meinem Kopf, was sie genau – in einfachen Worten und prägnanten Sätzen mit wenig Wörtern formuliert – differenziert… Wir alle besitzen Passwörter, aber wünschen uns hin und wieder Zauberworte. Wir benutzen Modewörter oder Schlagworte und geben Widerworte. Wir sprechen manches Mal sogar Machtworte und erzählen uns von unseren Lieblingswörtern. Wir versenden Grußworte und sprechen Trostworte; viele versprechen einander Jaworte und jeder von uns hat seine Reizworte. Und manche schreiben Vorworte. Diejenigen, die schreiben, erklären zu selten Fremdwörter, streichen hoffentlich Füllwörter, bauen ihren Beitrag entlang von Schlüsselworten auf – vor allem im Essay. Manche von ihnen haben vor alledem Stich- respektive Schlagworte notiert, um einen flüssigen, schlüssigen Text mit oft vorgegebener Anzahl von Wörtern überhaupt schreiben zu können. Ich liebe das Spiel mit Worten, die – wie in dem Fall hier – nicht aus rund 100, sondern aus mehr als 230 Wörtern besteht. Trotzdem subsumiere ich diese Fragmente bewusst unter dem Titel „rund hundert Worte“: Mein Anliegen ist es, im Spiel mit Wörtern den in ihnen wohnenden Ausdruck der Worte zum Klingen zu bringen. Ja – Worte haben Musik, machen Sinn und so unendlich viele sind bezaubernd sinnlich.